Die Dreharbeiten haben begonnen.

Das Team: Lydia Liehm/Regieassistenz,

Moritz Lehmann/Schauspieler Xirp

India Anthony/Schauspieler Sarah

Charly G.Diehl/Regisseur Autor

Thomas Jaenicke/Technik

Bob Gratzias/ Kamera
Interview mit Charly G.Diehl

Autor und Regisseur von 'Marmelade'

Bei dem Begriff Jam session fallen einem sofort alte kiffende Jazzer ein, die sinnlose , unverständliche Melodiefolgen vor sich hindudeln. Suchen sie wie der Film Buena Vista Social Club nach – für den Normalbürger – außergewöhnlichen Musikerbiographien?

Es gibt Straßen in Berlin in denen sie alle 400 Meter eine Kneipe mit Sessionveranstaltungen finden. Selbst Kneipen, die niemals für solche Veranstaltungen konzipiert wurden, machen irgendwie sowas möglich. Zumindest in Berlin liegt die Vermutung nahe, daß sich da irgendein gesellschaftliches Bedürfnis seine Plätze sucht. Mit der Sturheit vereinzelter Musikliebhaber ist das nicht mehr erklärbar.

In einer Metropole wie Berlin gab es immer Sessionorte, Yorkschlößchen, Go In , etc. Worin besteht denn heute der Unterschied zu anderen Zeiten.

Das waren früher vereinzelte – sehr wichtige – Locations , in denen sich Musiker und Interessierte getroffen haben. Heute gibt es keinen Bezirk keine Straße ohne Sessionort. Vor allem die junge Generation hat sich einfach Räume geschaffen für diesen ganz speziellen Livestyle.

Sie beschreiben die Generation von 23- bis 38 Jahren, die schlechthin als 'Facebookgeneration' identifiziert wird. Was treibt den Inbegriff der Oberflächlichkeit in die Musikklubs?

In ihrer Frage schwingt das ganze Dilemma mit. Man geht einfach davon aus , daß der Nerdismus flächendeckend daherkommt. DIE GANZEN SMARTPHONES; Sms-Dramen, Twitterungen, Googleschlauheiten scheinen bei dem einen oder anderen nicht alles abzudecken. Man fragt sich, warum sich 22jährige Frauen in einen miefigen Club setzen und kantigen Blues von lebensverschrumpelten Musikern anhören. Und das mit Begeisterung. 

Sie zeigen in Ihrem Film junge Frauen, die in Musikkneipen gehen, um Livemusik zu hören. Es ist eine bluesige Musik, groovender Rock. Finden wir hier wirklich, die super verdienende Rechtsanwältin, die mitunter bis spät in die Nacht bei einem Kunden aus der Großindustrie schwierigste Vertragsverhandlungen führt und sich danach doch wohl eher noch in einer Szenedisco verabredet?

Ja, die findet man tatsächlich auch. Und die haben nicht das geringste Problem mit diesem – wie wir ganz selbstverständlich unterstellen – seelischen Spagat. Das Selbstverständnis dieser Menschen ist viel komplexer. Sie erfüllen tatsächlich die von uns vermuteten Klischees und vervollständigen sich mit diesem Echten und Ursprünglichen der Jam-Sessions.

Und auch nach dem Mann, den Sie uns zeigen, müssen wir fragen. Kommt er in seinem Markenanzug, in teuren Duft eingehüllt, aus der Chefetage seiner Firma in eine Musikkneipe, aus der die E-Gitarren jaulen?

Auch die sind da. Man bekommt bisweilen die eine oder andere Visitenkarte von einem Siemensmanager oder einem Unternehmer zugesteckt, mit der man als Musiker gar nichts anzufangen weiß. Und das ist durchaus nett gemeint. Die Dubotschaft lautet: Ich fand dich gut, aber ich bin auch jemand. Irgendwie – auf ihre ganz spezielle Art - ganz goldig.

Aber was genau treibt die alle in die Clubs?

Ich kann nur als Hobbypsychologe vermuten: Der Mensch fühlt sich nicht mehr vollständig. In den Sauberlaufgängen der Multimediagesellschaft führt kein Weg zu gewissen Aspekten der menschlichen Seele. Der eine oder andere der Jamsessionbesucher scheint zu denken: Nach all dem Kaviar kann ein Stück trocken Brot aus ungewaschener Hand nicht schaden.

Danke für das Gespräch.

(Interview von Zett Philip)
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